BAUSTELLE

DVL2
Zuchtziel
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 Was passiert bei einer DVL2-Mutation
– und warum ist sie problematisch?

Die DVL2-Mutation betrifft ein Gen, das während der frühen Entwicklung des Embryos entscheidend für die korrekte Ausbildung der Wirbelsäule, des Skeletts und der Körperproportionen ist. Kommt es hier zu einer genetischen Veränderung, stört dies die Signalübertragung in der sogenannten Wnt-Signalkaskade – einem der wichtigsten Entwicklungssysteme im Körper.

Die Folge: Es entstehen Skelettveränderungen, die über das äußerlich „typische“ Erscheinungsbild hinausgehen – und in vielen Fällen ernsthafte pathologische Auswirkungen haben.

Die häufigsten Veränderungen im Zusammenhang mit DVL2:

Wirbelsäulenanomalien

Hemivertebrae (Keilwirbel): einzelne Wirbel sind unvollständig oder schräg gebildet, was zu Instabilität und später oft zu Schmerzen, Bewegungsstörungen oder gar Lähmungen führen kann.

Blockwirbel oder Schmetterlingswirbel: einzelne Wirbel verschmelzen oder sind verformt, was die natürliche Beweglichkeit der Wirbelsäule einschränkt

Rutenverkürzung bzw. Rutenverlust

Die Mutation führt zu einer Fehlbildung der Schwanzwirbel. Viele betroffene Hunde haben nur einen sehr kurzen Stummel oder gar keine sichtbare Rute mehr. Dies ist kein ästhetisches Merkmal, sondern ein Hinweis auf eine fehlerhafte Entwicklung im hinteren Teil der Wirbelsäule.

Disproportionale Gliedmaßenentwicklung

Anders als bei Zwergwuchs durch andere Gene (z. B. FGF4), zeigt sich bei DVL2-Mutation häufig eine Veränderung der Gliedmaßenwinkelung und Knochenstruktur, nicht zwingend eine reine Verkürzung.

Die Beine wirken oft massiv, leicht gebogen oder „plump“, vor allem im Bereich der Vorderläufe. Diese Abweichungen von der Norm sind nicht nur optisch, sondern können zu Gelenkfehlbelastungen, Arthrose oder eingeschränkter Beweglichkeit führen.

Veränderung der Körperproportionen

Hunde mit DVL2-Mutation wirken insgesamt gedrungen, mit einem übermäßig breiten Brustkorb, kurzem Rücken und einer nach vorn verschobenen Schulterlinie.

Diese veränderten Proportionen können zu einer ungleichen Gewichtsverteilung und dadurch zu orthopädischen Problemen führen – insbesondere im Schulter- und Lendenbereich.

In der Springer-Studie (2023) wurde eindrucksvoll belegt, dass viele dieser Merkmale nicht harmlos oder bloß „typisch rassebedingt“ sind, sondern das Ergebnis einer entwicklungsbedingten Fehlbildung. Besonders bei homozygot betroffenen Hunden (mit zwei defekten Genkopien) traten in der Studie deutlich häufiger schwere Pathologien auf – etwa mehrfache Wirbelfehlbildungen, teils mit neurologischen Ausfällen oder deutlich eingeschränkter Beweglichkeit.

Auch bei heterozygoten Hunden (mit nur einer Kopie der Mutation) konnten bereits milde Formen dieser Auffälligkeiten festgestellt werden – insbesondere, wenn andere genetische Belastungen (z. B. CDDY oder weitere Skelettvarianten) hinzukommen.

 DVL2 & Brachycephalie
– ein enger Zusammenhang

Ein besonders spannender und gleichzeitig besorgniserregender Aspekt der Springer-Studie (2023) ist der beobachtete Zusammenhang zwischen der DVL2-Mutation und dem brachycephalen Erscheinungsbild – also dem typischen „kurznasigen“ Gesicht vieler Französischer Bulldoggen.

Die Forschenden stellten fest, dass Hunde mit der DVL2-Mutation nicht nur Veränderungen an Wirbelsäule und Gliedmaßen zeigen, sondern auch eine deutlich verkürzte Schädelform, insbesondere im Nasenbereich.

Die Brachycephalie – also der kurze, breite Schädel mit verkürzter Nase – trat häufiger und ausgeprägter bei Hunden mit der DVL2-Mutation auf. Das bedeutet:

 Die Mutation scheint nicht nur die Körperform, sondern auch die Kopfform mitzuverändern.

In der Studie heißt es wörtlich, dass die DVL2-Variante „signifikant mit einem verkürzten Nasen-Schädel-Verhältnis“ (reduced craniofacial ratio) in Verbindung steht. Diese genetische Veränderung kann demnach auch zur Verstärkung brachyzephaler Merkmale beitragen – mit allen bekannten gesundheitlichen Problemen, die damit einhergehen können, wie z. B.:

  • Atemprobleme (BOAS)

  • Wärmeintoleranz

  • Erhöhtes Risiko für Narkosen

  • Chronisches Schnarchen, Würgen oder Atemnot

Quelle:

Canine DVL2 variant contributes to brachycephalic phenotype and caudal vertebral anomalies

Niskanen, J. E., Reunanen, V., Salonen, M., Bannasch, D., Lappalainen, A. K., Lohi, H., & Hytönen, M. K.
“Canine DVL2 variant contributes to brachycephalic phenotype and caudal vertebral anomalies”, Human Genetics, 140, 1535–1545 (2021).